Geflügel

Geflügel


Geflügel aus Tierschutzsicht

Die Haltung von Geflügel hat in der Schweiz in den letzten 20 Jahren um über 70 % zugenommen und ist immer noch im Begriff zu wachsen. Dabei ist es vor allem die Pouletmast, die sehr stark zugenommen hat. Doch auch bei den Legehennen ist immer noch eine Zunahme der Tierzahlen vorhanden. Somit leben in der Schweiz etwa 1.5 Mal so viele Hühner wie Einwohner! Dennoch kann das Angebot die Nachfrage bei weitem nicht decken; bei Fleisch und Eiern werden immer noch etwa 40 % importiert.

Beim Geflügel wurde die Zucht auf spezielle Leistungsmerkmale in Bezug auf Produktionsziele von allen Nutztieren wohl am meisten auf die Spitze getrieben. Legehennen legen praktisch täglich ein Ei und Mastpoulets erreichen nach 30 Tagen ein Gewicht von 2 kg. Dass so eine Steigerung der Leistung mit negativen körperlichen Begleiterscheinungen einhergeht, liegt auf der Hand. Mastpoulets können gegen Mastende fast nicht mehr gehen, und Legehennen haben nach einem knappen Jahr aufgrund des hohen Kalziumverbrauchs brüchige oder gebrochene Knochen.

Hier möchte der STS gegensteuern und plädiert für ein Umdenken in der Geflügelproduktion durch konsequenten Einsatz von Zweinutzungsrassen: Eier und Fleisch können mit Tieren derselben Rasse gewonnen werden.

Legehennen

Mit einem Paukenschlag trat 1981 das erste Schweizer Tierschutzgesetz mit einer Weltneuheit in Kraft: ab 1991 war die Käfighaltung für Legehennen komplett verboten!

Seither sind alle Ställe mit strukturierten Volieren versehen, in denen sich die Tiere frei bewegen können. Ausserdem haben fast 95 % der Tiere Zugang zu einem Wintergarten (Aussenklima-bereich) und 85 % der Tiere haben regelmässigen Weidegang. Schweizer Eier stammen also zum grössten Teil aus Freilandhaltung.

Ebenso verbietet die Tierschutzverordnung das Coupieren der Schnäbel; hingegen ist das Kürzen des Hakens der oberen Schnabelspitze (Touchieren) leider weiterhin erlaubt. Diese Massnahme wird oft ergriffen, weil sogenannter Kannibalismus bei den Legehennen auftritt. Mit diesem Sammelwort wird das Bepicken vom Brustgefieder, den Zehen oder anderen Körperteilen bei anderen Legehennen bezeichnet. Es führt zu Verletzungen und auch Abgängen. Das Touchieren ist aber in diesem Falle nur eine Symptombehandlung; die Ursachen liegen nach Ansicht des STS vielmehr in zu engen Platzverhältnissen, schlechter Einstreu- oder Luftqualität oder auch fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten.

Ausserdem ist erwiesen, dass auch bei touchierten Legehennen Phantomschmerzen auftreten und die Futteraufnahme nicht mehr vollständig artgerecht erfolgen kann. Bei Legehennen stellt sich auch die Frage: wohin mit den männlichen Küken? Seit Anfang 2020 dürfen diese nicht mehr lebend „geschreddert“, d.h. in einem Mixer zu Brei verarbeitet werden. Seither werden sie mit Gas getötet.

Trotz der offensichtlichen Erfolge im Bereich des Tierwohls bei den Legehennen sieht der STS die weitere Verbesserung nur in der Einführung von Zweinutzungsrassen bei sämtlichem Geflügel in der Schweiz. Diese Massnahme würde gleich mehrere der noch bestehenden Probleme lösen: das Töten der männlichen Küken von Legehennenlinien, das Problem der Knochenbrüche bei Legehennen und die fehlende Verwertungsmöglichkeit der Althennen. Da deren Fleisch momentan nicht verkauft werden kann, werden fast alle Tiere vergast und in Biogasanlagen „energetisch verwertet“. Allerdings müsste natürlich eine solche Massnahme auch finanziell abgegolten werden. Berechnungen haben aber gezeigt, dass ein Ei dadurch nur gerade 3 Rappen mehr kosten würde.

Pouletmast- & haltung

Die heutigen Mastpoulets sind hochspezialisierte Züchtungen, die mit möglichst wenig Futter möglichst schnell und möglichst viel Fleisch an Schenkeln und Brust ansetzen sollen. Die heutigen Mastrassen wachsen innerhalb von etwas mehr als 30 Tagen auf etwa das 50-fache ihres Geburtsgewichtes an − von etwa 40 Gramm auf 2 Kilogramm. Langsamer wachsende Rassen, z.B. bei gewissen Labeln, haben dazu immerhin knapp doppelt so viel Zeit − etwa 56 Tage. Stellt man sich jedoch vor, dass ein normales Huhn erst nach rund 4 bis 5 Monaten erwachsen und gleich schwer ist, so wird der eigentliche Unsinn dieser Züchtungen augenscheinlich. Denn die Masttiere sind eigentlich viel zu schwer für ihr Alter; sie können deshalb bei Mastende kaum mehr gehen und erleiden Herzinfarkte oder haben deformierte Gliedmassen.

Immerhin dürfen praktisch alle Mastpoulets in der Schweiz ihr kurzes Leben in einem tierfreundlichen Stall mit Aussenklimabereich verbringen. Gewisse Labels ermöglichen den Tieren sogar Weidegang, allerdings ist deren Anteil am Gesamtmarkt verschwindend klein (unter 10 %).

Dank Begutachtungen und Beratung im Ausland in Zusammenarbeit mit Schweizer Detaillisten konnte der STS erreichen, dass doch auch ein Teil des importierten Pouletfleisches aus Ställen mit Strukturen und Aussenklimabereich kommt, was mit Ausnahme der höheren Bestände etwa BTS (Besonders tierfreundliche Stallsysteme) entspricht.

Als Lösung der Probleme sieht auch hier der STS nur die Einführung von langsamer wachsenden Zweinutzungsrassen; eine Mastdauer von etwa 70 Tagen wäre anzustreben, müsste jedoch ebenfalls preislich abgegolten werden. Hier müssen dann wiederum die Konsumenten willens sein, eher etwas weniger, dafür etwas teureres, aber tierfreundliches Fleisch zu kaufen.

Truthahn

Im Vergleich zur Poulethaltung ist die Trutenmast in der Schweiz sehr selten anzutreffen. Dies hat auch damit zu tun, dass es in der Schweiz keinen Trutenschlachthof gibt, da sich die Schlachtlinien von denen für Hühner wesentlich unterscheiden. Truteneier werden keine verkauft.

Die Mast ist für die Tiere normalerweise fast noch trauriger als für ihre Brüder und Schwestern beim Mastpoulet. Da bei den Truten schon in der Natur ein starker Geschlechtsdimorphismus vorhanden ist, d.h. die Hähne werden auffallend grösser als die Hennen, hat sich dies die Züchtungsindustrie zunutze gemacht. Hähne und Hennen werden getrennt gehalten, da die Hennen ein Gewicht von ca. 10 kg erreichen. Hähne hingegen werden bis 20 kg und darüber gemästet.

Bei so einem Gewicht können sich die Tiere wie auch die Mastpoulets kaum mehr bewegen, geschweige denn springen oder fliegen. Wenn die Hähne dann noch im Wasserbad betäubt und dazu an den Beinen aufgehängt werden, führt dies zu starken Schmerzen. Bei Truthähnen ist zudem die Gefahr von haltungsbedingten Verletzungen und Infektionen, z.B. durch schlechte Einstreuqualität

Dank Begutachtungen und Beratung im Ausland in Zusammenarbeit mit Schweizer Detaillisten konnte der STS erreichen, dass doch auch ein Teil des importierten Trutenfleisches aus Ställen mit Strukturen und Aussenklimabereich kommt, was mit Ausnahme der höheren Bestände etwa BTS (Besonders tierfreundliche Stallsysteme) entspricht.

Eine Mast von Truten mit extensiven Rassen in strukturierten Ställen, mit Wintergarten und Weidegang wäre aus Sicht des STS möglich und nötig, um die Trutenmast einigermassen tiergerecht zu vollziehen.